ALTES GLEIS IST LÖSUNGSWEG Die Regenkatastrophe zerstörte eine für den Chemiepark Knapsack wichtige Bahnstrecke. Im ICE-Tempo und mit gemeinsamen Pack-an konnte eine stillgelegte Verkehrsader reaktiviert werden. D ie Bahn ist für die Betriebe im Chemiepark Knapsack immens wichtig. Zehn Züge mit jeweils 15 bis 20 Waggons sind normalerweise jeden Tag auf den Schienen unterwegs. Dabei zweigt die öffentliche Bahnstrecke an einer Stelle in den Chemiepark ab und verläuft an einem Hang entlang, bis sie sich auf dem Gelände weiter verzweigt. Genau hier kam es während des Jahrhundert regens zu massiven Unterspülungen. Die Gleise wurden für Wochen unbefahrbar. „Die Reparatur gestaltete sich aufwändig, weil wir zunächst eine Baustraße bauen mussten, um überhaupt an der Böschung arbeiten zu können“, sagt Eisenbahnbetriebsleiter Marcel Schäfer von YNCORIS, der für die Gleise im Chemiepark Knapsack verantwortlich ist. Doch ohne Lieferungen keine Produktion. Ein Ausweichen auf die Straße war nur für wenige Unternehmen möglich, entsprechend dringend eine tragfähige Lösung. Als Alternative stieß YNCORIS auf eine Strecke, die vor Jahren stillgelegt und während des Starkregens nicht beschädigt wurde. Sie führt über das Gelände von RWE sowie der Häfen und Güterverkehr Köln (HGK). Das bedeutete unter anderem detaillierte neue Verträge mit den Unternehmen, um die Nutzung zu regeln. Daneben mussten die stillgelegten Gleise inspiziert, Büsche beseitigt, Streckenabschnitte repariert sowie ein Stück Gleis trassiert und neu gebaut werden. Hinzu kamen behördliche Genehmigungen, bevor YNCORIS überhaupt mit den Reparaturarbeiten am Gleis starten konnte. Außerdem entwickelte das Team gemeinsam mit RheinCargo einen Ersatzfahrplan. ENORMES ENGAGEMENT Große Unterstützung erhielten Schäfer und sein Team unter anderem von der Unternehmensleitung sowie aus den Bereichen Recht, Genehmigungsmanagement, Facility Management und Bahnbetrieb der YNCORIS: „Ich bin immer noch begeistert, wie intensiv sich alle eingebracht und in welch kurzer Zeit wir eine tragbare Lösung finden und umsetzen konnten. Da waren Kolleg*innen auch im Urlaub erreichbar, haben andere Projekte verschoben und Freigaben in kürzester Zeit möglich gemacht.“ Auch alle Ansprechpartner bei RWE, HGK, Rhein Cargo, der Bezirksregierung und der Landeseisenbahnverwaltung sowie das Gleisbau-Unternehmen Leonhard Weiss setzten sich weit über das Normale hinaus für die Alternativroute ein. Innerhalb von drei Wochen erreichte YNCORIS die behördliche Abnahme der wiederbelebten Gleise, obwohl ein solcher Genehmigungs- und Inbetriebnahmeprozess normalerweise mehrere Monate dauert. Bereits ab 9. August fuhren sechs Züge täglich über die Alternativstrecke. Damit konnten die Unternehmen am Standort auch während der Reparaturarbeiten weiter produzieren. 18 | KNAPSACKSPIEGEL 4 / 2021
NÄCHSTER HALT: KNAPSACK Für den Chemiepark Knapsack fährt er meilenweit: Marcel Schäfer ist seit rund drei Jahren bei YNCORIS Teamleiter Transport / Support / Verkehrswege und Eisenbahnbetriebsleiter. Ein Job, der ihn eine tägliche Anfahrt aus dem Ruhrgebiet in Kauf nehmen lässt. HERR SCHÄFER, WELCHE BERUFLICHEN STATIONEN FÜHRTEN SIE ZU IHRER HEUTIGEN POSITION? Marcel Schäfer: Studiert habe ich „Rohstoffe und Geotechnik“ an der technischen Hochschule in Bochum und habe im Anschluss bei der STRABAG und der BASALT-ACTIEN- GESELLSCHAFT (BAG) als Betriebsleiter Tagebaubetriebe gearbeitet. Bei der BAG übernahm ich dann auch zusätzlich die Verantwortung für einen Gleisanschluss mit einer Bahnverladung. BENÖTIGTEN SIE DAZU EINE ZUSATZAUSBILDUNG? Marcel Schäfer: Auf die Prüfung zum Eisenbahnbetriebsleiter habe ich mich parallel zum Job vorbereitet, in Weiterbildungskursen am Aus- und Weiterbildungszentrum Verkehrsgewerbe Leipzig und autodidaktisch. Abschließend wurde ich von der Eisenbahnbehörde in einem sogenannten Fachgespräch geprüft. UND WIE KAMEN SIE ZUR YNCORIS? SIE LEBEN IN DORTMUND, DAS IST JA NICHT EBEN UM DIE ECKE. Marcel Schäfer: Das stimmt. Die YNCORIS ist auf mich zugekommen und hat mir ein Angebot gemacht. Ich habe mir Zeit genommen, um das Für und Wider abzuwägen und war auch mehrfach vor Ort, um ein Gefühl für das Arbeitsklima und meinen potentiellen neuen Aufgabenbereich zu bekommen. Auch Work-Life-Balance war ein wichtiger Punkt. EIN JOBWECHSEL BEDEUTETE JA IN IHREM FALLE TATSÄCHLICH EINE ZÄSUR, SOWOHL WAS DEN ARBEITSWEG ANGEHT, ALS AUCH DIE INHALTE. Marcel Schäfer: Richtig. Meine zentrale Frage war tatsächlich: Lohnt es sich für dieses Angebot, die Komfortzone zu verlassen? DIE ANTWORT IST … Marcel Schäfer: Unbedingt! Arbeitsbereich, Menschen und Firma haben mich überzeugt. WAS REIZT SIE AN IHREM JOB? Marcel Schäfer: Die große Verantwortung und der umfassendere Arbeitsbereich. Diese Herausforderung wollte ich annehmen. WELCHE AUFGABEN UMFASST IHRE STELLE? Marcel Schäfer: Am Standort Hürth bin ich zuständig für den reibungslosen Ablauf der Bereiche Eisenbahn, Kfz-Werkstatt und Kraftverkehr, den wir mit Hilfe eines 30-köpfigen Teams sicherstellen. Mein Aufgabengebiet umfasst dabei sowohl die Bereiche Personalführung, Arbeitssicherheit und Kundenbetreuung als auch Instandhaltungs-, Budget- und Investitionsmanagement. Auf der Schiene werden große Massen und gefährliche Güter bewegt, da ist es ein zentraler Punkt, eine bedarfsgerechte, sichere Eisenbahninfrastruktur zu besitzen und zu erhalten. Wir müssen investieren, um nachhaltig zu agieren. Gerade erst haben wir zwei neue Loks für über drei Millionen Euro gekauft. An drei externen Standorten führen wir darüber hinaus den Rangierdienst mit einem Zwei-Wege-Fahrzeug durch. Außerdem bin ich an zwei dieser Standorte als Eisenbahnbetriebsleiter bestellt. IN DEN LETZTEN WOCHEN MUSSTEN SIE SICH EINER BESONDEREN HERAUSFORDERUNG STEL- LEN. DER STARKREGEN UND DAS HOCHWASSER HABEN EIN GLEIS UNTERSPÜLT, DAS DIE EINZIGE BAHNVERBINDUNG IN DEN CHEMIEPARK WAR. Marcel Schäfer: Wir brauchten eine schnelle Lösung. Das Gleis war nicht befahrbar. Mit vereinten Kräften haben wir innerhalb von drei Wochen eine stillgelegte Alternativstrecke aktiviert. Ich habe erlebt, dass mir alle notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt wurden, war plötzlich mit vielen Leuten vernetzt und wir alle hatten ein gemeinsames Ziel. Das war eine sehr gute Erfahrung. Ich persönlich bin gestärkt aus dem Ereignis hervorgegangen und ich glaube, das kann man auch für die YNCORIS sagen. LETZTE FRAGE. EIN KLISCHEE: STEHT DIE MÄRKLIN-EISENBAHN IM KELLER? Marcel Schäfer (lacht): Der einzige Zug bei uns zu Haus ist die rosa Holzeisenbahn unserer Tochter. Ella gibt gerade zu Hause an, wohin die Reise geht.“ KNAPSACKSPIEGEL 4 / 2021 | 19
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