NACHHALTIGKEIT KONKRET: LET’S USE IT AGAIN Über Nachhaltigkeit reden ist gut, machen ist besser … zum Beispiel beim Thema Verpackungen. Gerade Einweggeschirr wird nur kurz genutzt und dann entsorgt. Dass es auch anders geht, zeigt die Betriebsgastronomie im Chemiepark Knapsack. 12 | Müll-Sünde „Take-away“ 227 Kilogramm pro Kopf – so viel Verpackungsmüll verursachte jeder Bürger in Deutschland im Jahr 2019. Das hat das Bundesumweltamt ermittelt. Der Wert dürfte sich in den letzten beiden Jahren noch deutlich erhöht haben, weil viele Menschen während der Corona- Pandemie nicht vor Ort in Restaurants und Betriebskantinen gegessen, sondern sich ihr Essen abgeholt haben. Der Trend zum Kaffee für unterwegs, zum Sushi vom Supermarkt und zur Pizza zum Mitnehmen sorgt für jede Menge Müll. Auch im Chemiepark Knapsack gehen seit Pandemiebeginn rund die Hälfte aller Gerichte als Außer-Haus-Variante über die Theke. Zu Hochzeiten waren es bis zu 80 Prozent. Dabei sind Einwegverpackungen wahre Ressourcenverschwender, denn ihre durchschnittliche Nutzungsdauer beträgt gerade mal 30 bis 60 Minuten. Mit ihrem Pro-Kopf-Verbrauch an Einwegverpackungen liegen die Deutschen übrigens 50 Kilogramm über dem europäischen Mittelwert. O b Plastikstrohhalme, Einwegbesteck oder Styroporbecher – viele solcher Verpackungen dürfen seit 2021 nicht mehr in der Europäischen Union produziert werden. Trotzdem ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Einwegverpackungen weiterhin beachtlich. Höchste Zeit also, beim „Snack to go“ nachhaltiger zu werden. Doch das ist oft gar nicht so einfach. STRENGE GESETZLICHE HYGIENEVORGABEN „Warum kann ich nicht einfach mein eigenes Geschirr mitbringen und im Betriebsrestaurant befüllen lassen?“, fragen sich viele. „Grundsätzlich gilt: Wir dürfen aus Hygienegründen keine mitgebrachten Schalen oder Teller hinter die Theke nehmen, um sie dort zu befüllen“, erklärt Marvin Heuwing aus der Betriebsgastronomie. „Diese Regel betrifft nicht nur uns, sondern alle, die fertig zubereitete Speisen verkaufen.“ Möglich blieb daher nur ein System, bei dem das Küchenteam Mehrwegbehälter aus dem Bereich hinter der Theke entnehmen, befüllen und dann über die Theke an den Gast weiterreichen kann. Um Einweggeschirr nachhaltiger zu gestalten, erhalten Gäste der Betriebsgastronomie im Chemiepark Knapsack bereits seit zwei Jahren Verpackungen, die in der Bio-Tonne entsorgt werden können. „Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass das die wenigsten machen. Viele der kompostierbaren Verpackungen landen trotzdem im Restmüll und werden konventionell entsorgt, sprich verbrannt“, sagt Heuwing. Er recherchierte, testete und bewertete: Betriebsgastronomie- Azubi Hendrik Poll. 12 Die Vereinten Nationen haben 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) definiert. Eines davon ist „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“. Das Mehrwegsystem in der Betriebsgastronomie zahlt auf dieses Ziel ein.
EINWEG MUSS WEG Die Betriebsgastronomie geht deshalb noch einen Schritt weiter: Wer im Chemiepark Essen mit an seinen Arbeitsplatz nehmen möchte, muss seit Mitte April nicht mehr auf Einwegverpackungen zurückgreifen – dank einer Mehrweglösung des Azubis Hendrik Poll. Jeder Mehrwegbehälter ist dabei auf 200 Spülgänge ausgelegt. Der Auszubildende zum Fachmann für Systemgastronomie im dritten Ausbildungsjahr bei YNCORIS recherchierte intensiv, schaute sich unterschiedliche Systeme an, testete die Musterbehälter im Alltag und bewertete sie. „Die meisten Systeme basieren auf einem Pfandsystem, bei dem der Gast einen bestimmten Betrag pro Schale oder Becher zahlen muss und diesen Betrag später wieder erstattet bekommt“, sagt Poll. „Im Chemiepark holen aber einige das Essen gleich für mehrere Kolleg*innen mit. Sie müssten dann das Pfandgeld bei allen einsammeln. Das ist nicht besonders praktisch.“ KOSTENLOS UND OHNE PFAND Eine Lösung ohne Pfandgebühr fand Poll bei Vytal. Das Kölner Unternehmen bietet ein Mehrwegsystem mit weit über 200 Abgabestellen in der Region. Statt Pfand gibt es eine App, in der Becher und Schalen registriert werden. Wer seinen Behälter innerhalb von zwei Wochen wieder zurückgibt, zahlt keinen Cent. „Das war uns besonders wichtig, damit möglichst viele das System nutzen“, so Poll weiter. Nur wer die Behälter länger als zwei Wochen behält, kauft sie automatisch für zehn Euro pro Schale und vier Euro pro Becher. Die App enthält einige weitere praktische Funktionen. So lässt sich dort beispielsweise der Ausleihzeitraum in Urlaubszeiten auf drei Wochen verlängern. Nutzer*innen können „ihre“ Behälter zudem per App an Kolleg*innen weitergeben und müssen sie so nicht zwingend selbst zurückbringen. Auch die Rückgabe ist denkbar einfach: In jedem Betriebsrestaurant des Chemieparks befindet sich eine große Box, in die Mitarbeiter*innen die ausgespülten Behälter einwerfen können. Poll: „Wir scannen jeden Tag die Rückgabe für unsere Gäste und spülen das Geschirr.“ Die App aktualisiert das Kundenkonto direkt nach dem Scannen automatisch. HOCHWERTIG, ANSPRECHEND, AUSLAUFSICHER Nicht nur das Verleih-Konzept des Kölner Unternehmens unterschied sich von dem anderen Anbieter, auch das Mehrweggeschirr selbst überzeugte die Betriebsgastronomie: „Die Behälter sind hochwertig, auslaufsicher, BPA-frei und geeignet für Mikrowellen“, so Poll. Ein weiterer Vorteil: Die Kunststoffschalen mit ihren dicht schließenden Deckeln halten länger frisch und lassen viel weniger Gerüche durch als Einweggeschirr, bei dem die Reste des Essens bis zur Abholung in den Mülleimern von Werkstatt oder Büro vor sich hin müffeln. Die Kosten für das Mehrwegsystem bewegen sich für YNCORIS auf dem gleichen Niveau wie die nachhaltigen Einwegverpackungen. Diese Lösung bietet die Betriebsgastronomie auch weiterhin für alle an, die Mehrweggeschirr nicht nutzen können oder wollen. Heuwing: „Wir hoffen allerdings, dass wir möglichst viele vom neuen Konzept überzeugen können.“ Poll hat das Projekt viel Spaß gemacht. „Es ist ein richtig gutes Gefühl, zu wissen, dass ich als Azubi dazu beitragen konnte, den Verpackungsmüll im Chemiepark zu reduzieren – und natürlich auch, dass meine Kolleg*innen mir die Lösung des Problems zugetraut haben.“ UND SO FUNKTIONIERT'S: ⊲ App herunterladen ⊲ Einmalig in der App registrieren ⊲ Essen abholen ⊲ QR-Code auf dem Behälter mit der App einscannen ⊲ Scan-Bestätigung an der Kasse vorzeigen ⊲ Behälter nach der Benutzung kurz ausspülen und verschließen ⊲ Innerhalb von 14 Tagen wieder in die Box in den Betriebsrestaurants werfen oder bei einem anderen Vytal-Partner zurückgeben Bildmaterial: Vytal Global GmbH Köln / Nik_Merkulov und Janina_PLD – Adobe Stock KNAPSACKSPIEGEL 2 / 2022 | 13
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